Cover: Nido, Gruner und Jahr
Ich lese seit neustem Nido, eine neue Elternzeitschrift, die nicht primär das Kindswohl, sondern das Wohl der Eltern in den Mittelpunkt stellt. Damit hebt sich das Format erfreulich ab vom ansonsten erhältlichen Eltern-Zeitschriften-Quatsch mit Rezepten für die besten Gemüsebreie und Ideen für die tollsten Kindergeburtstage. Ich lese diese Zeitschrift wirklich gerne und überlege mir sogar, ob ich Abonnentin werden soll.
Nichtsdestotrotz habe ich in der aktuellen Ausgabe (9-2010) einen Artikel gelesen, der mich ein wenig irritiert:
Früher war ich schön
In diesem Beitrag beschreibt die Autorin Simone Buchholz ihren körperlichen Verfall nach der Schwangerschaft und ihre damit verbundenen Komplexe. Eigentlich ist das ja sehr sympathisch und sollte vielen Frauen, die mit überschüssigen Kilos, Schwangerschaftsstreifen, Kaiserschnittnarben und schlaffen Brüsten geplagt sind, aus der Seele sprechen. Jedoch …
Zu Beginn des Artikels brüstet sich die Autorin damit, vor der Schwangerschaft ein regelrechtes „durchschnittliches Geschoss“ (kein Ferrari, aber ein Porsche!) gewesen zu sein, mit prallen Brüsten und Knackarsch, den sie hüftenschwingend in figurbetonter Kleidung durch die Stadt geschoben hat. Man denkt: Oh weh! Die Arme! Da muss es doppelt weh tun, wenn man nach der Schwangerschaft nicht mehr alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Man ist gespannt zu erfahren, mit welchen Handicaps die Geplagte nun zu leben hat, und wird schnell aufgeklärt.
Jetzt, nach der Geburt ihres Sohnes, sei alles anders, sie sei zwar schlanker als vorher, aber … Ja, was aber? Aber die Brüste! Sie sind kleiner. Außerdem ist die Bikinizone nicht gewaxed, die Haut ist nicht mehr gebräunt und sie sieht vielleicht ein bisschen müde aus im Gesicht. Allerdings nur, wenn sie nicht geschminkt ist oder nicht zufällig in romantischem Kerzenschein oder neben einer Zimmerlinde fotografiert wird.
Ja, also ich würde sagen: Herzlichen Glückwunsch! Sie gehören zu den 1% der Frauen, die es geschafft haben, nach der Schwangerschaft wieder auszusehen wie vorher!
Es spricht natürlich der pure Neid aus mir, weil ich zu den 90% Prozent der Frauen gehöre, die schon vor der Schwangerschaft gesegnet waren mit allerlei Mängeln und Überflüssigem. Ich bemühe mich auch immer wieder redlich, meinen Körper mit einem netteren Blick zu sehen, nur – es will mir irgendwie nicht gelingen.
Doch freut es mich außerordentlich für die Autorin, dass sie es offenbar geschafft hat. Zum Glück hat sie einen Freund, der ihr in ihrem Elend bescheinigt, sehr wohl aufregend zu sein, sogar aufregender als früher, weil sie jetzt ihren tollen Arsch in Jeans trägt und weil es so unglaublich sexy ist, wenn sie in roten Clogs im Sandkasten sitzt und Kekse isst und sich dabei ihre Frisur auflöst. Und er liebe es, wenn sie streng sei. Aha!
Nach der Lektüre bin ich nun noch komplexbeladener als vorher und wünsche mir nicht nur den Hintern und die selbstauflösende Frisur der Schreiberin, sondern ihren kompliment-begabten Mann gleich mit. Außerdem wünsche ich mir für den nächsten Artikel dieser Art eine Autorin, die in Bezug auf die hier behandelten Probleme etwas authentischer ist.
Zur Nido-Blattkritik: HIER
Also da kann ich ich ja glücklich preisen, dass ich mich schon vor der ersten Schwangerschaft nicht so dolle fand und jetzt nach der zweiten bin ich ich auch nicht schöner geworden. Aber unterm Strich geht es mir da ja deutlich besser wie der Autorin – so muss man das vielleicht sehen.
Hallo Simone!
Erst mal noch alles Gute nachträglich zum Geburtstag. Wir sind heute aus dem Urlaub zurückgekommen, da war ich fast komplett datumsfrei… voll vergessen.
Den von dir genannten Artikel habe ich vor einer halben Stunde auch gelesen (Marike ist Abonnentin, als „Prämie“ gab’s ein superbilliges iPod-Docking-Radio, lohnt nicht wirklich, klingt müllig, aber Linnea findet es toll, wenn sie die Musik selbst einschaltet).
Lustigerweise habe ich beim Schlussabsatz (mit den Jeans und den Keksen und der auflösenden Frisur) aus Sicht des Mannes überlegt, welche Reaktion ich wohl auf solche Komplimente erhalten würde. Zu einer endgültigen Antwort bin ich (noch) nicht gekommen.
Ich habe bei Nido manchmal das Gefühl, dass die Artikel an den Themen vorbeigehen. Beim Fliegen mit Kindern gehts im selben Heft nur um die Verwendbarkeit von Kinderautositzen. Dass man für die Kinder was zum Spielen oder Angucken mitnehmen sollte, dafür brauch ich keine Zeitschriftratgebertipps.
Achja: neulich gab’s mal einen Artikel zum Thema „Neue Freunde gewinnen“. Das Titelbild dazu war der Anblick eines FKK-Strandes an einem Baggersee o.ä. – muss wohl ein Redakteur lustig gefunden haben.
Euch einen schönen Restsommer und alles Gute,
viele Grüße aus dem gewittrigen Hamburg
Christoph
danke für den beitrag, mich hat der artikel auch extrem verstört. und zwar nicht nur, dass die autorin nicht merkt, dass sie im gegensatz zu vielen anderen müttern überhaupt nichts zu meckern hat und deshalb völlig ungeeignet für einen artikel zu diesem thema ist. sondern auch und gerade, weil sie sich freiwillig mit einem auto vergleicht.